Hintergrundtext: Immunonkologie

Das Immunsystem – ein Schlüssel im Kampf gegen Krebs

Jährlich erkranken in Deutschland etwa 500.000 Menschen an Krebs. 2013 verstarben insgesamt 223.093 Menschen an dieser Erkrankung  – das entspricht etwa jedem vierten Todesfall in Deutschland.

Aufgrund des medizinischen Fortschritts hat sich die Prognose vieler Krebspatienten bereits verbessert. Handelt es sich jedoch um besonders aggressiven oder fortgeschrittenen Krebs, der sich bereits im Körper ausgebreitet hat, ist die Prognose meist ungünstig. Eine Erweiterung der bisherigen Therapieoptionen ist für diese Patienten daher dringend notwendig. Eine Weiterentwicklung in der Behandlung von bestimmten Krebsarten stellt der immunonkologische Wirkansatz dar. Während etablierte Krebstherapien, wie Chemo- oder zielgerichtete Therapien, auf einem direkten Angriff der Krebszellen basieren, verfolgen immunonkologische Therapien einen anderen Ansatz: Das körpereigene Immunsystem des Patienten wird im Kampf gegen den Krebs reaktiviert.

Was ist Krebs?

Unter der Bezeichnung Krebs werden über hundert verschiedene Erkrankungen zusammengefasst, die alle eines gemeinsam haben: Sie entstehen durch eine krankhafte Veränderung körpereigener Zellen, die sich infolgedessen unkontrolliert teilen und vermehren. Es entsteht ein Tumor, der in umliegendes Gewebe einwachsen und dieses zerstören kann. Die Krebszellen können sich aber auch über Blut- und Lymphbahnen im gesamten Körper ausbreiten. So besteht die Möglichkeit, dass sich sogenannte Tochtergeschwüre oder Metastasen in anderen Organen oder Geweben bilden. Besitzt der Krebs die Fähigkeit sich im ganzen Körper auszubreiten, wird er aufgrund seiner gefährlichen Eigenschaften als bösartig bezeichnet. Gutartige Tumoren wachsen hingegen nicht über die Gewebegrenzen hinaus und bilden keine Metastasen. Warum manche Menschen an Krebs erkranken und andere nicht, ist bisher nicht geklärt. Allerdings weiß man inzwischen, dass sich Krebs aufgrund von Veränderungen des Erbguts entwickelt. Diese Fehler im Erbgut können aus verschiedenen Gründen, wie u. a. Umweltfaktoren oder Schadstoffe, Zigarettenrauch und UV-Strahlung, entstehen. Änderungen im Erbgut können aber auch zufällig bei der Zellteilung auftreten. Die Wahrscheinlichkeit für solche sogenannten Spontanmutationen steigt besonders mit zunehmendem Alter. Krebs tritt deshalb häufig bei älteren Menschen auf.

Das Immunsystem – Schutz für unseren Körper

Das Immunsystem ist dafür zuständig, Krankheitserreger, körperfremde Stoffe und veränderte Zellen, wie beispielsweise Krebszellen, zu erkennen und zu bekämpfen. Es erfüllt dabei folgende Aufgaben:

  • Erkennung, Eindämmung und Abwehr von Infektionen
  • Regulation der Immunantwort, d. h. es wird verhindert, dass das Immunsystem körpereigene Zellen angreift
  • Erinnerung – das sogenannte immunologische Gedächtnis – als Schutz vor erneut auftretenden Krankheiten

Ein wichtiger Teil des Immunsystems sind die weißen Blutkörperchen. Zu ihnen gehören die T-Lymphozyten, kurz T-Zellen genannt. Sie spielen eine bedeutende Rolle bei den Abwehrmechanismen des Immunsystems. Ihre Aufgabe ist es u. a. Krankheitserreger zu erkennen und zu zerstören. Die T-Zellen sorgen aber auch dafür, dass das Immunsystem nicht den eigenen Körper angreift.

Wie arbeitet das Immunsystem?

Ob eine Zelle krankhaft verändert, körperfremd oder körpereigen ist, erkennt das Immunsystem in der Regel anhand von Molekülen auf der Oberfläche einer Zelle, den sogenannten Antigenen. Mithilfe der Antigene kann das Immunsystem krankhaft veränderte oder körperfremde Zellen sowie Fremdkörper (z. B. auf Viren- und Bakterienoberflächen) von gesunden Zellen unterscheiden und verschiedene Zellen der Immunabwehr aktivieren. So sind T-Zellen beispielsweise in der Lage, Krebszellen anhand ihrer Oberflächenstrukturen zu erkennen und direkt zu bekämpfen. Auf der Oberfläche der T-Zelle befindliche Rezeptoren docken nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an die Oberflächenmoleküle der Krebszelle (das Antigen) an. Die Krebszelle wird dadurch als krankhaft verändert erkannt und die Immunreaktion gestartet. Die B-Zellen des Immunsystems arbeiten anders, sie bilden Antikörper. Das sind Y-förmige Eiweißmoleküle, die körperfremde und krankhaft veränderte körpereigene Strukturen anhand ihrer Oberflächenmoleküle erkennen und an diesen Antigenen andocken. Körperfremde oder veränderte körpereigene Zellen werden entweder dadurch direkt unschädlich gemacht oder für weitere Abwehrzellen als „schädlich“ markiert.

Wie können Krebszellen dem Immunsystem entgehen?

Zwar ist das Immunsystem grundsätzlich in der Lage, Krebszellen abzuwehren, dennoch können sich bei manchen Menschen Tumoren bilden. Dafür gibt es einen Grund: Krebszellen haben Mechanismen entwickelt, um der Zerstörung durch das Immunsystem zu entgehen:

  • Sie tragen keine Moleküle auf der Zelloberfläche (Antigene), die sie als krankhaft verändert oder körperfremd kennzeichnen würden. Damit sind sie für das Immunsystem „unsichtbar“.
  • Sie „bremsen“ das Immunsystem aus: Krebszellen sind, wie jede Zelle, in der Lage, Moleküle zu bilden und sie auf der Zelloberfläche zu präsentieren. Diese Moleküle können nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an bestimmte Rezeptoren auf der Oberfläche der T-Zelle binden. Damit drosselt die Krebszelle die Aktivität der T-Zelle. Folglich kann die T-Zelle nicht mehr angreifen und die Krebszelle kann unkontrolliert weiterwachsen.

Immun-Checkpoints – Kontrollpunkte für das Immunsystem

Immun-Checkpoints sind sogenannte Steuermoleküle auf der Oberfläche von T-Zellen. Sie dienen als zentrale Kontrollpunkte des Immunsystems. Ihre Aufgabe ist es, die Aktivität der T-Zelle zu regulieren und eine Überreaktion des Immunsystems zu verhindern. Diese Regulierung ist sehr wichtig, denn ein überaktives Immunsystem kann im schlimmsten Fall die körpereigenen Zellen angreifen. Autoimmunerkrankungen sind ein Beispiel für solch eine Fehlregulation: Das Immunsystem erkennt hierbei irrtümlicherweise das körpereigene Gewebe als Fremdkörper und bekämpft dieses. Manche Krebszellen können diese Immun-Checkpoints jedoch nutzen, um das Immunsystem bzw. die körpereigenen Abwehrmechanismen lahmzulegen. Sie senden „gefälschte“ Stoppsignale und drosseln so die T-Zellaktivität. Die T-Zellen sind dadurch nicht mehr in der Lage, die Krebszellen anzugreifen. Die Krebszellen können ungehindert weiterwachsen und vermehren sich unkontrolliert – ein Tumor entsteht.

Der immunonkologische Therapieansatz: Krebszellen mit dem körpereigenen Immunsystem bekämpfen

In genau diesem Zusammenspiel von Krebszellen und dem Immunsystem setzt der immunonkologische Therapieansatz an, indem er das körpereigene Immunsystem reaktiviert und wieder in die Lage versetzt, aktiv gegen den Krebs vorzugehen. Immunonkologische Wirkstoffe docken bspw. an die gleichen Immun-Checkpoints auf der Oberfläche der T-Zelle an, die auch die Krebszelle ausnutzt, und besetzen diese. Dadurch erhält der Körper kein „gefälschtes“ Stoppsignal mehr. Das Immunsystem bleibt voll funktionsfähig, erkennt die Krebszelle und kann gegen diese vorgehen (Abb. 1).

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  • www.immunonkologie.de.
Quelle: MSD,